Corona: Informationen für drogengebrauchende Menschen und Beratungsstellen

Drogengebrauchende Menschen wurden bereits zu Beginn der Coronakrise als potenziell besonders gefährdete Gruppe identifiziert: Zum einen gibt es viele drogengebrauchende Menschen mit relevanten Vorerkrankungen, zum anderen waren und sind drogengebrauchende Menschen besonders betroffen, wenn Beratungsstellen sowie Einrichtungen der Aids- und Drogenhilfe ihre Angebote einschränken und Besucherkontakte reduzieren oder sogar ganz aussetzen müssen. Zudem sind viele Drogengebrauchende darauf angewiesen, uneingeschränkt mobil zu sein, zum Beispiel um den täglichen Weg zur Substitutionsvergabe zu absolvieren. Deshalb war es zu Beginn besonders wichtig, Schutzmaßnahmen zu ergreifen und zu kommunizieren (z.B. erweiterte Safer-Use-Regeln) sowie Maßnahmen anzubieten, um Kontakte sowie Wege zu reduzieren (z.B. erweiterte Take-Home-Verordnungen, erweiterte Konsumutensilienvergabe). Diese gilt es zu verstetigen und neuen Rahmenbedingungen (Lockerungen und wiederum neuen Einschränkungen) anzupassen.

Anbei möchten wir auf einige Links hinweisen, die sowohl für drogengebrauchende Menschen als auch für Beratungsstellen hilfreich sein können [zuletzt aktualisiert am 18.03.2022]:

  • Aus der Praxis: Infos für und von Menschen, die Drogen konsumieren: Der JES-Bundesverband hat das erste deutschsprachige Printmedium für drogengebrauchende Menschen zum Umgang mit Corona veröffentlicht. Die Broschüre bietet kurze und präzise Hilfestellungen für drogengebrauchende Menschen und kann kostenlos über den Versand der Deutschen Aidshilfe bezogen werden. Ergänzend hierzu wurde nun auch ein Plakat mit den fünf wichtigsten Kernbotschaften produziert. Die Kölner Drogenselbsthilfe VISION hat Informationen für die Zusammenstellung von Lunchpaketen bereitgestellt. Die bayerische Sucht- und Jugendhilfeverein Condrobs berichtet in einem Podcast über niedrigschwellige Drohenhilfe während der Coronakrise. Die Organisation INPUD (International Network of People who use Drugs) hat Informationen mit Schutzvorkehrungen für Menschen beim Drogenkauf sowie für Menschen, die Drogen verkaufen, zusammengestellt.
  • Aus den Medien: Im Interview mit jungewelt.de spricht Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug bei der Deutschen Aidshilfe, über die Auswirkungen der Viruspandemie auf Drogenkonsument*innen und die Gesundheitsversorgung in Gefängnissen (04.04.2020). Im Artikel Die Hotels wären frei wird die Notlage, etwa in Bezug auf fehlende Schutzausrüstung, in Drogenhilfeeinrichtungen in Frankfurt, Hamburg und Berlin dargestellt (09.04.2020). Auch die Drogenhilfe leidet zeigt in einem kurzen Video die Situation im freiraum in Hamburg (15.04.2020). Suchtmediziner Norbert Lyonn berichtet in "Wie der Feldmarschall" aus dem Arbeiten am Limit in einer Berliner Substitutionspraxis (16.04.2020). Eine Substitutionspraxis in Goslar wiederum berichtet von den Umstellungen im Praxisablauf, die es ermöglichen die 200 Patient*innen weiter zu versorgen, verbunden mit der Forderung an die Kassenärztliche Vereinigung Einnahmeeinbußen bei gleichzeitgem Mehraufwand auszugleichen (17.04.2020). Wie sieht die Situation wiederum auf dem internationalen Drogenmarkt aus? Hierzu hat u.a. die taz in Koka-Kette in Coronakrise berichtet (19.05.2020). Zu den Auswirkungen auf den Drogenkosum gibt es bislang keine eindeutigen Daten. In Lockdown: Alkohol und Drogen gegen den Frust? berichtet unter anderem die niedrigschwellige Drogenhilfeeinrichtung INDRO aus Münster über ihre Einschätzung (19.03.2021). Beeindruckend: Die Suchthilfe direkt Essen hat im Rahmen einer Impf-Aktion mehrere hundert drogengebrauchende Menschen impfen können, wie waz.de (WAZ+) berichtet (16.05.2021).
  • Aus der Forschung: In der Schweiz (unter srf.ch) konnte in einer Studie gezeigt werden, dass substituierte drogengebrauchende Menschen trotz aller anfänglichen Sorgen offenbar mehrheitlich nur milde Verläufe im Falle einer Corona-Infektion hatten. Die Teilnehmenden drogengebrauchenden Menschen aus der Studie waren Patient*innen im Zentrum für Suchtmedizin arud in Zürich. Mögliche Erklärungen sind, dass sie bereits mit vielen Viren (darunter auch Coronaviren) im Kontakt waren und daher eine stärkere Immunantwort hatten, oder dass die eigentlich vielen relevanten Vorerkrankungen durch die Anbindung ans Zentrum besser im Griff sein (14.03.2022). Das Centre for Drug Research an der Goethe-Universität Frankfurt am Main erforscht seit Beginn der Pandemie, wie sich die aktuelle Situation auf die Drogenszenen vor Ort und auf die Arbeit in der ambulanten Drogenhilfe auswirkt. Die Informationen sollen möglichst niedrigschwellig, etwa per Text- oder Sprachnachricht vom Smartphone, zusammengetragen werden, und fortlaufend analysiert werden. Erste Zwischenergebnisse und eine zweite Auswertung (24.06.2020) liegen bereits vor, bekräftigt und aktualisiert wurde der Aufruf zur Teilnahme noch einmal im November. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht EMCDDA hat einen Report zur Entwicklung des Drogenmarkts im Darknet vorgelegt (05.05.2020). Beobachtet wurden etwa eine stärkere Verlagerung des Cannabisverkaufs an Endkund*innen ins Netz und verschlüsselte Messenger-Dienste (anstelle vom Resale über den persönlichen Kontakt) sowie eine sinkende Nachfrage nach Substanzen, die in sozialen Kontexten (wie Partys und Festivals) konsumiert werden. Weitere Publikationen der EMCDDA beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Coronakrise auf das Drogenhilfesystem (12.05.2020) sowie die internationalen Drogenmärkte (29.05.2020). Eine Studie aus den USA hat gezeigt, dass Menschen mit Opiat-Abhängigkeit besonders empfänglich dafür sind, im Falle einer Corona-Infektion an Covid-19 zu erkranken. Ebenso betreffen sind Menschen mit anderen Abhängigkeiten etwa von Kokain oder Cannabis (15.09.2020). Das Robert Koch-Institut hat in einer Befragung die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Präventionsangebote für drogengebrauchende Menschen untersucht (15.10.2020). Eine NRW-spezifische Studie hat herausgefunden, dass Verfügbarkeit und Konsum von Drogen durch den Lockdown und die Pandemie allgemein kaum beeinflusst wurden (23.04.2021). Eine aktualisierte Analyse der EMCDDA legt die neuesten Erkenntnisse zur Auswirkung der Pandemie auf Drogenmärkte, Drogengebrauch und assoziierte Schäden sowie die Drogenhilfe innnerhalb und außerhalb von Haftanstalten vor (30.04.2021).
  • Aus der Politik: Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW veröffentlicht tagesaktuelle Informationen zu allen Maßnahmen auf Landesebene.
  • Corona und Beratung: Der Paritätische Gesamtverband hat Hinweise zusammengestellt, mit welchen Methoden und Tools die Beratungsarbeit fortgesetzt werden kann. Der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln hat Hygieneempfehlungen für Beratungseinrichtungen während der Corona-Pandemie zusammengestellt.
  • Corona und Drogen: Übersichtsseite der Deutschen Aidshilfe. Weitere regelmäßig aktualisierte Informationen der DAH finden sich hier. Gemeinsam mit akzept, JES und JES NRW hat die DAH eine einseitiges Informationsblatt für Drogengebraucher*innen veröffentlicht. Ein ebenfalls sehr nützliches, zweiseitiges Informationsblatt für Drogengebraucher*innen hat die Stadt Zürich herausgegeben. Allgemeine Informationen und Empfehlungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) finden Sie unter infektionsschutz.de.
  • Corona und Hepatitis: Nach aktuellem Stand stellt die Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Infektion an sich kein erhöhtes Risiko dar, möglicherweise kann aber eine fortgeschrittene Lebererkrankung zu einem erhöhten Risiko im Verlauf einer Corona-Infektion beitragen, wie auf hivandmore.de berichtet wird. Patient*innen mit Hepatitis B und C sollten weiterbehandelt werden. Sofern Kapazitäten vorhanden sind und Schutzmaßnahmen eingehalten werden können, besteht kein Grund, eine HCV-Therapie aufzuschieben. Die Deutsche Leberhilfe informiert fortlaufend zu besonderen Hinweisen zu Corona für Menschen mit Lebererkrankungen.
  • Corona und Impfung: Informationen zum Thema Impfung finden sich auf aidshilfe.de und bundesregierung.de. Das Robert Koch-Institut bietet außerdem ein täglich aktualisiertes Impfmonitoring, durch das die Zahl der bereits geimpften Menschen in den Bundesländern verfolgt werden kann.
  • Corona in Leichter Sprache: Informationen und Nachrichten zu Corona in Leichter Sprache stellt die Website corona-leichte-sprache.de zur Verfügung.
  • Corona und Migration: mehrsprachige Informationssammlung rund um Corona der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung. Für Menschen ohne Krankenversicherung oder mit unklarem Versicherungsstatus hat die Deutsche Aidshilfe eine bundesweite Übersicht zu Clearingstellen bereitgestellt.
  • Corona und Stigma: Stigmatisierung ist sowohl für Menschen, die Drogen konsumieren, als auch für Menschen mit HIV/Aids und/oder Hepatitis leider ein bekanntes Thema. Auch beim (sprachlichen) Umgang mit Corona gibt es Stigmatisierungspotenzial: Die WHO hat eine Liste der "DOs" und "DON'Ts" zusammengestellt.
  • Corona und Substitution: Schon zu Beginn der ersten Maßnahmen haben sich die Konferenz der Vorsitzenden von Qualitätssicherungskommissionen der Kassenärztlichen Vereinigung und die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) an substituierende Ärzt*innen gewandt und Hinweise zum Umgang mit substitierten Patient*innen in der Coronakrise kommuniziert (für weitere Stellungnahmen s.u.). Mittlerweile wurden Rahmenbedingungen der Substitutionsbehandlung vorübergehend flexibilisiert. In Hamburg wurde bereits kurzfristige Hilfe bereitgestellt: Im Drob Inn, der Kontakt- und Beratungsstelle der Hamburger Jugendhilfe, wurde aus Mitteln des Hamburger Senats eine niedrigschwellige Substitutionsambulanz eigerichtet, die die Versorgung von Opiatkonsument*innen mit und ohne Krankversicherung unterstützt und bei Symptomen auch COVID-19-Tests bei den Nutzer*innen durchführt. Verschiede Hersteller von EDV-gestützten Dispensiersystemen, Substitutionsmedikamenten und Drogentests bieten Unterstützung für Gesundheitsämter, Drogenberatungsstelle, Träger von Konsumräumen oder anderen Drogenhilfeeinrichtungen, die kurzfristig Ambulanzen für die Substitution unbehandelter Opioidabhängiger einrichten möchten. Interessierte wenden sich bitte an Gerd Meyer-Philippi (gmp@compwaremedical.de). Im neuen Jahr liegt nun ein Referentenentwurf vom Bundesgesundheitsministerium vor, der vorsieht die Flexibilisierungen in der Substitutionsbehandlung, wie zum Beispiel die Erleichterungen bei der Take-Home-Vergabe, bis zum 31. März 2022 zu verlängern, wie forum-substitutionspraxis.de berichtet (Stand 04.01.2021).
  • Corona und Testung: Eine kurze Übersicht zu den verschiedenen Testverfahren findet sich auf hivandmore.de.
  • Corona und Drogen aus internationaler Perspektive: Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) hat eine Übersichtsseite veröffentlicht, die spezielle Risiken für drogengebrauchende Menschen, Hinweise zur Sicherstellung der Angebote und eine europaweite Übersicht über Strategien und Leitlinien zusammenstellt und regelmäßig aktualisiert.
  • Brief der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) an die Drogenbeauftragte der Bundesregierung zur Impfriorisierung von Menschen mit Abhängigkeitserkrankung sowie Mitarbeitende in Suchthilfeeinrichtungen (25.04.2021). Daniela Ludwig unterstützt die Priorisierung in ihrem Antwortschreiben (13.04.2021). Sie bekräftigte die Forderung nach einer Impf-Priorisierung für drogengebrauchende Menschen weiter in den Medien, so zum Beispiel unter rnd.de (26.04.2021).
  • Apell zur Aufrechterhaltung der ambulanten und stationären Suchtkrankenversorgung des Fachverbands Drogen- und Suchthilfe (fdr), der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin und weiterer Fachverbände, einschließlich niedrigschwelliger Hilfen und Angebote der Selbsthilfe, angesichts der neuen Beschränkungen, die seit November gelten (30.10.2020).
  • Stellungnahme des fdr (Fachverband Drogen- und Suchthilfe): Neue Impulse jetzt nutzen! Welche notwendigen Konsequenzen wir aus den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie für eine wirkungsvolle Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe ziehen müssen (17.07.2020).
  • Stellungnahme der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR), die fordert, Harm-Reduction-Angebote wie Konsumutensilienvergabe, Naloxonvergabe und Substitution dringend weiter zu gewährleisten, die Finanzierung abzusichern und bei Bedarf auszuweiten (16.04.2020).
  • Stellungnahme der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS): Die DHS und ihre Mitgliedsverbände appellieren, hilfsbedürftige Menschen mit Suchterkrankungen auch und gerade in der von den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus überschatteten aktuellen Situation adäquat zu versorgen und die Fachkräfte der Suchthilfe entsprechend auszustatten (30.03.2020).
  • Offener Brief der Deutschen Aidshilfe, des Aktionsbündnisses gegen AIDS und über 40 weiteren zivilgesellschaftliche Organisationen und Institutionen aus dem Gesundheitsbereich an den Corona-Krisenstab der Bundesregierung (26.03.2020): Die Verbände fordern besseren Schutz und den Zugang zu medizinischer Versorgung für Menschen in prekären Lebensverhältnissen, etwa wohnungslose Menschen, Menschen ohne Krankenversicherung oder ohne legalen Aufenthaltsstatus, und erwerbslose EU-Bürger*innen. Stellungnahme des Fachverbands Drogen- und Suchthilfe (fdr) zur Flexibilisierung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) (26.03.2020).
  • Pressemitteilung der Bundesdrogenbeauftragten zur Zahl der Menschen, die im vergangene Jahr an den Folgen von Drogenkonsum verstorben sind (24.03.2020). Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr um rund zehn Prozent gestiegen. Ludwig fordert eine flächendeckende Substitutitonsversorgung und appelliert, dass auch in der aktuellen Coronakrise substituierte Patient*innen nicht auf der Strecke bleiben dürfen.
  • Schreiben der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig an die substituierenden Ärzt*innen mit der Bitte, die Versorgung von Substitutionspatient*innen während der Coronakrise zu sichern (23.03.2020).
  • Empfehlung des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zur Aufrechterhaltung von Behandlungs- und Hilfsangeboten für drogengebrauchende Menschen. Wichtigster Grundsatz: Unter keinerlei Umständen sollte einer Person der Zugang zu Gesundheitsversorgung verwehrt werden, weil sie Drogen konsumiert!
  • Hilferuf der ambulanten Drogen-, Aids- und Suchthilfe, der auf die bereits zu Beginn der Krise existenziellen Nöte drogengebrauchender und wohnungsloser Menschen sowie des Hilfesystems hinweist und Notfallmaßnahmen vorschlägt (20.03.2020).
  • Positionspapier von Correlation — the European Harm Reduction Network und der Eurasian Harm Reduction Association (deutsche Übersetzung) (19.03.2020): Das Papier fordert unter anderem, Kontinuität und Nachhaltigkeit von Harm Reduction und anderen niedrigschwelligen Hilfen für drogengebrauchende Menschen während der Pandemie zu gewährleisten. Als eine Maßnahme wird die Möglichkeit beschrieben, dass drogengebrauchenden Menschen größere Vorräte an Konsumutensilien zur Verfügung gestellt werden, um Kontakte zu reduzieren.