2023-07-21: "Allerhöchste Eisenbahn": Eine drogenpolitische Veränderung ist unumgänglich! Pressemitteilung der Aidshilfe NRW, akzept NRW und JES NRW zum Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen

Foto: Drogengedenktag

Auch in diesem Jahr stieg die Anzahl der an Drogenkonsum Verstorbenen zum sechsten Mal in Folge zu einem erneut alarmierenden Rekord von 1.990 Menschen an. In NRW war die Zahl mit 703 Personen mit Abstand am höchsten, gefolgt von Bayern (277) und Berlin (230). Haupttodesursachen waren erneut der Konsum von Opioiden (1.194), davon 749 Heroin/Morphin. Auch die Langzeitfolgen des Drogenkonsums sind weiterhin maßgeblich todesursächlich (663). Auch die Zahl der Menschen, die sich beim intravenösen Drogenkonsum mit HIV ansteckten, stieg im letzten Jahr erneut.

Das Hilfesystem ist überlastet
NRW wird stets nachgesagt, ein ausgezeichnetes Suchthilfe-Versorgungssystem zu haben und eine eher liberale Drogenpolitik zu fahren. Jedoch sprechen die vorliegenden Zahlen dagegen. Das Hilfesystem ist unterfinanziert, unterbesetzt und überlastet durch den immer weiter steigenden Bedarf an Unterstützung, verursacht durch die Nachwehen der Coronapandemie und neue Konsummuster (z.B. Crack).

Die Bundesregierung muss Verantwortung übernehmen – doch Kürzung ist die Antwort
Anstatt entsprechend die alarmierenden Zahlen und Hilferufe aus dem Suchthilfesystem ernst zu nehmen und ihnen nachzugehen, sind im Regierungsentwurf für den Haushaltsplan des Bundesgesundheitsministerium für 2024 knapp 8,26 Milliarden Euro weniger vorgesehen. Vier Millionen Euro sollen dabei für Aufklärungsmaßnahmen im Rahmen von Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs gekürzt werden. Auch die Mittel für den Öffentlichen Gesundheitsdienst werden gekürzt. Diese Kürzungen sind in Anbetracht der aktuellen Zahlen von an Drogen verstorbenen Menschen sowie der geplanten Cannabisregulierung nicht nachvollziehbar und unverantwortlich.

Wo bleibt die Veränderung?
Prohibition und Kriminalisierung von Konsument*innen führt nachweislich nicht zur Abnahme von Drogengebrauch, sondern stärken nur den Schwarzmarkt und sichtbar auch dessen verheerende Auswirkungen für drogengebrauchende Menschen. Dieser Ansatz hat gesundheitspolitisch versagt. Solange das Betäubungsmittelgesetz nicht entsprechend längst vorhandener wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse angepasst wird, bleibt nur der bisherige Weg: Schadensminimierung.

Torsten Zelgert, Sprecher von JES NRW, erklärte dazu auch im Namen von akzept NRW und der Aidshilfe NRW: "Letzten Endes brauchen wir die Entkriminalisierung und Originalstoffvergabe aller Substanzen. Das würde die Kriminalität eindämmen und den Schwarzmarkt treffen – eine Gleichstellung mit legalisierten Drogen sollte deshalb angestrebt werden."

Es braucht überdies einen vereinfachten Zugang zu Substitutionsbehandlungen und -mitteln und den Ausbau bzw. die Sicherung des Versorgungsnetzwerkes, wie weitere Konsumräume auch im ländlichen Raum. Genauso werden mehr Unterbringungsmöglichkeiten für Menschen ohne festen Wohnsitz und eine angemessene medizinische Versorgung für alle in Deutschland lebenden Menschen benötigt. Leider müssen wir uns wiederholen, wenn wir die flächendeckende Vergabe von lebensrettendem Naloxon in Suchthilfeeinrichtungen, psychiatrischen Einrichtungen, Substitutionspraxen und im Justizvollzug fordern.

Zelgert: "Es ist allerhöchste Eisenbahn für mehr Vernetzung und die feste Einbindung von Selbstvertretung in drogenpolitische Entscheidungen, Präventionskonzepte und suchtmedizinische Weiterentwicklungen. Überdies brauch es neue Präventionskonzepte weg von Schuld, Scham, Stigmatisierung und Angst hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit und Expert*innenwissen bzgl. Drogen. Wir sollten anfangen das Unmögliche mitzudenken! Jetzt und nicht morgen muss sich etwas grundsätzlich ändern. Dafür stehen und kämpfen wir, gesprächsbereit, laut, offen und voller Energie!"

Eine neue Entscheidung macht Hoffnung
Mit der Entscheidung der Bundesregierung von 26. Juni dieses Jahres ist es nun den Bundesländern erlaubt Drug-Checking anzubieten. Die Substanzanalyse ist ein wichtiger Teil der Harm Reduction und längst überfällig. So ist es zukünftig Party-User*innen sowie Menschen, die Drogenkonsumräume nutzen, möglich, ihre Substanz auf Gehalt und Nebensubstanzen testen zu lassen, um unerwünschte Überdosierungen oder nicht erwünschte Wirkungen vermeiden zu können. In Anbetracht des steigenden Fentanyl-Aufkommens von in Deutschland erworbenen Heroin, kann Drug-Checking Leben retten.

"Zu hoffen bleibt, dass alle Bundesländer auf diesen wichtigen Zug Richtung Verantwortungsübernahme in der Drogenpolitik aufspringen und gemeinsam an bessere Lebensbedingungen für Drogengebraucher*innen arbeiten. Die Zahl der verstorbenen Drogengebraucher*innen darf nicht weiter steigen!", so Zelgert.

In NRW finden anlässlich des Gedenktags auch in diesem Jahr Veranstaltungen und Aktionen unter anderem in Bonn, Paderborn, Bielefeld, Hamm, Hagen, Wuppertal, Essen, Bochum, Düsseldorf und Köln statt.

Aidshilfe Köln 
Schaufenster mit Infos zur Aktion, Bezug zu 76 verstorbenen Menschen im Regierungsbezirk Köln
Installation von 76 Grablichtern vor der Eingangstür des Café Bach
Begleitet wird die Aktion von 10 bis 16 Uhr von Mitarbeiter:innen und Streetwork. Zur Mittagszeit sind Klient:innen zu einem Mittagsimbiss eingeladen.

Aidshilfe Duisburg
• Am 21.07.23 findet ab 11.00 Uhr das JES-Frühstück statt.
• Mittags wird ein Allyshipcafé gemeinsam mit POSITHIV HANDELN angeboten.
• Am 22.07. wird JES gemeinsam mit einer Duisburger Substitutionsärztin ein Naloxontraining und zusätzlich HEP C - Test und Beratung durchführen.

Aidshilfe Paderborn
21.Juli von 10 bis 12 Uhr Infostand vor der Herz-Jesu-Kirche / Westerntor
Dabei sind: Aidshilfe Paderborn, KIM Soziale Arbeit B2 und Lebensraum Zwischenzeit, Drogenberatungsstelle der Caritas.

AIDS-Initiative Bonn e.V.
Aktions-, Protest- und Trauertag zum 21. Juli der AIB
WAS: Besuch des Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert und des Vorsitzenden d. Ausschusses f. Soziales, Migration u. Gesundheit der Bundestadt Bonn, Peter Kox, mit Gesprächsrunde zum Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende
WANN: Donnerstag, 20. Juli 2023
WO: AIDS-Initiative Bonn e.V.
WAS:
• Gedenkinstallation und Teilnahme an der bundesweiten Aktion „Sichtbar“
• Infostand mit Lunchpaketen und Give-aways
• Hepatitis-C-Testangebot – anonym und kostenlos, gemeinsam mit Ärzt*innen im Beratungsmobil
WANN: Freitag, 21. Juli 2023 von 12-17 Uhr
WO: Szenetreffpunkt Kaiserbrunnen Bonn

Gedenken Bielefeld
WAS: Die Aidshilfe Bielefeld, die Drobs Bielefeld und JES veranstalten gemeinsam für die Drogenszene eine Möglichkeit zum Gedenken an die Verstorbenen. JES Bielefeld sorgt für die Verpflegung u.a. in Form von Kaffee und Kuchen. Es stehen Informationen zur Verfügung und die Möglichkeit des Austauschs.
WANN: Am 21.07. 2023 ab 13.00 Uhr
WO: Im Drogenhilfezentrum DHZ in der Borsigstraße, Bielefeld
Es handelt sich nicht um eine öffentliche Veranstaltung, sondern eine Veranstaltung ausdrücklich für Gäste des Drogenhilfezentrums

Die Krisenhilfe e.V. Bochum und die Aidshilfe Bochum laden ein
WAS:
• Infostand
• Von 11.15 bis 12.00 Uhr findet ein Gedenkgottesdienst statt
• Im Anschluss gibt es eine kleine Gedenkaktion und Kaffee und belegte Brötchen
WANN: Am 21.07.2023 von 11.00 bis 14:00 Uhr
WO: Auf der: Viktoriastr. 67, 44787 Bochum

Drogenberatung Dinslaken
Die Drogenberatung Dinslaken begeht den diesjährigen Gedenktag an einem besonderem Ort. In Kooperation mit der Diakonie, stellt diese ihr Wohnzimmer „Dein Treff“ zur Verfügung und die Besucher*innen haben dort die Möglichkeit, Wimpel nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Die Veranstalter*innen wollen die Öffentlichkeit für die schwierige Situation Drogengebrauchender sensibilisieren.
WAS:
• Wimpel gestalten und als Kette zusammenfügen
• Infotisch zu Safer Use
• Safer Use Sets und Beratung
WANN: Am 21.07.2023
WO: Diakonie Dinslaken „Dein Treff“, Friedrich-Ebert-Str. 67, Dinslaken

Schon am 20.Juli zum Internationalen Gedenktag in Dorsten
Auch in Dorsten wird dieses Jahr wieder den Gedenktag für verstorbene DrogengebraucherInnen begangen.
Alle sind herzlich eingeladen, Klienten, Angehörige und Interessierte!
WAS:
• Gedenkgottesdienst in der Franziskanerkapelle
• Anschließend gehen wir in den Garten am Türmchen zum Gedenkstein ablegen und grillen
WANN: Achtung, am 20.07.2023 ab 12.30 Uhr
WO: Franziskanerkapelle / Lippestraße 5, 46282 Dorsten

Aidshilfe Düsseldorf
Die interkonfessionelle Gedenkveranstaltung wird federführend vom Flingern mobil organisiert in Kooperation mit allen interessierten Akteuren und bietet neben dem Gedenken der Verstorbenen und dem Aufstellen von Kerzen auch
WAS:
• Raum für Erinnerungen
• Gespräche
• Beisammensein
WANN: Am 21.07.2023 von 12.00 bis ca. 14.00 Uhr
WO: In der St. Elisabethkirche am Vinzenzplatz in 40211 Düsseldorf

Aidshilfe Essen, CVJM Essen und BELLA DONNA Drogenberatungstelle für Mädchen und Frauen laden ein
WAS:
• Gemeinsame Gedenktveranstaltung für die mit illegalisierten Drogen- Verstorbenen in Essen zusammen mit der evangelischen und katholischen Kirche.
WANN: Am 21.07.2023 ab 13.00 Uhr
WO: Am Burgplatz vor dem Dom in der Essener Fußgängerzone

Wuppertaler Einrichtungen und Selbsthilfegruppen
WAS:
• Infostände mit Aktionen / Pressegespräche
• Von 11.00 bis 12.00 Uhr findet dort ein Gedenkgottesdienst mit unterschiedlichen Teilhaber:innen und musikalischer Begleitung statt
• Im Anschluss werden als Zeichen des Gedenkens weiße Rosen verteilt.
WANN: Am 21.07.2023 von 10.00 – 15.00 Uhr
WO: In der Fußgängerzone „Alte Freiheit“ vor den City-Arkaden

JES Unna (Drogenselbsthilfe), Suchtberatung Kreis Unna gGmbH, Aidshilfe Unna, ABW Stoffwechsel + PSB MVZ Medikus GmbH, Jennifer Schmandt – Psychiatriekoordinatorin, KISS Kreis Unna, kath. Kirche St. Katharinen
Trauer, Begegnung und Austausch
WAS:
• 11:00 Uhr – Grußwort von Landrat Mario Löhr
11:30 Uhr – Redebeiträge von Betroffenen und Supportern
• 12:00 Uhr – Glockengeläut mit anschließender Schweigeminute, Betroffene der Unnaer Szene spielen etwas auf der Gitarre
• 13:30 Uhr Ballonaktion, sodass diese gegen ca. 14:00 Uhr starten können. (Ballons mit Grußkärtchen versehen, die mit Sätzen oder Gedanken an die zu gedenkenden Verstorbenen gen Himmel gesandt werden)
Parallel zu den o.g. Programmpunkten gibt es lecker Essen, kalte und auch heiße Getränke, sowie die Möglichkeit sich zu diversen Themen zu informieren und auszutauschen.
WANN: Am 21.07.2023 von 11.00 – 15.00 Uhr
WO: Auf dem Kirchvorplatz der kath. Kirche St. Katharinen in Unna

Zum Gedenken an die Verstorbenen Drogengebraucher*innen Neuss
Angebote zur Prävention, Aufklärung, Beratung und Behandlung der Abhängigkeitserkrankung sind wichtiger denn je und von großer Bedeutung.
WAS:
• Informations- und Beratungsstand, um auf Hilfs-, Unterstützungs- und Präventionsangebote aufmerksam zu machen.
WANN: Am 21.07.2023 ab 11.00 Uhr
WO: Auf dem Neusser Markt (vor dem Rathaus)