Schwarz-grüner Koalitionsvertrag NRW: Harm Reduction (auch in Haft) soll gestärkt werden

Bild: Symbolbild: grüne Pflanze auf schwarzem Grund | Joäo Paulo Pereira, unsplash.com28. Juni 2022 - Die beiden Parteien der künftigen schwarz-grünen Landesregierung von NRW haben am 23. Juni 2022 ihren Koalitionsvertrag vorgestellt: Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen heißt das 146-seitige Werk, das sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch die CDU auf ihren Parteitagen am 25. Juni nun bestätigt haben. 

Auf welche politischen Ziele haben sich die Koalitionäre in den Bereichen Drogenpolitik und Justiz/Strafvollzug in NRW geeinigt?

Drogen und Sucht: Maßnahmen der Schadensminderung in der Drogenpolitik erleichtern

Zum Bereich Drogen und Sucht äußern sich die Koalitionspartner wie folgt:

Nordrhein-Westfalen verfügt über gute und flächendeckende Strukturen der Suchtprävention und -beratung. Zugleich stellen sich angesichts der Pandemie, im Bereich nicht legaler Drogen und dem Aufkommen neuer nicht stoffgebundener Suchtverhaltensformen neue Herausforderungen. Es gilt die Menschen noch besser zu erreichen. Wir entwickeln deshalb die vorhandenen Strukturen und Angebote weiter und stärken kultursensible, zielgruppenbezogene Präventionsangebote. Wir unterstützen Initiativen, mit denen Drug-checking und Maßnahmen der Schadensminderung in der Drogenpolitik erleichtert werden sollen, und verbinden diese mit Beratungsangeboten.

Als Erfolgt aus Sicht der Aids- und Drogenhilfe kann gewertet werden, dass eine Erleichterung von Harm-Reduction-Angeboten explizit benannt wird. Noch weiter als erwartet geht hier der Koalitionsvertrag zum Thema Drug Checking: Keine der beiden Parteien hatte in ihren Wahlprogrammen Drug Checking erwähnt, und NRW hatte sich bisher auch nicht durch Initiativen auf Bundesebene in diesem Bereich ausgezeichnet. Eine mögliche Kurswende – möglicherweise auch bedingt durch die absehbare gesetzliche Regelung auf Bundesebene – hatte sich schon in den Antworten der Landesparteien auf die Wahlprüfsteine von akzept NRW abgezeichnet. CDU und Grüne hatten sich hier beide offen für Drug-Checking-Projekte in NRW gezeigt.

Justiz: ein "humaner und auf das Ziel der Resozialisierung ausgerichteter Strafvollzug"

Auch im Bereich Justizvollzug enthält der schwarz-grüne Koalitionsvertrag Vielversprechendes:

Ein humaner und auf das Ziel der Resozialisierung ausgerichteter Strafvollzug hilft, die Allgemeinheit zu schützen, straffällig gewordene Menschen wieder in die Gesellschaft einzugliedern und weitere Straftaten zu vermeiden. Wir werden den Justizvollzug konzeptionell, personell, räumlich und finanziell so aufstellen, dass Strafgefangenen von Beginn an täterzentrierte Angebote zur Wiedereingliederung unterbreitet werden. Das Behandlungs- und Beratungsangebot für kranke, pflegebedürftige und suchtkranke Inhaftierte werden wir weiter verbessern und ausweiten, insbesondere in dem Bereich psychischer Erkrankungen sowie der HIV- und HCV-Prävention. Bei der medizinischen, psychosozialen und psychiatrischen Versorgung in Haftanstalten ist der Einsatz von Telemedizin eine sinnvolle Ergänzung.

Bemerkenswert sind die ausdrücklichen Erwähnungen von HIV- und HCV-Prävention für Inhaftierte, ist doch für einen ganzheitlichen Präventionsansatz im Drogenbereich die Vergabe von sterilen Konsumutensilien unumgänglich. Zwar ist dies so nicht benannt, die Grünen hatten sich jedoch in den Wahlprüfsteinen von akzept NRW für die Einführung von Spritzenvergabeprogrammen in Haft ausgesprochen und werden zukünftig (und erstmalig in NRW) mit Benjamin Limbach den Justizminister stellen.

Insgesamt hatte sich in den Wahlprüfsteinen von akzept NRW bereits ein recht breiter drogenpolitisch progressiver Konsens abgezeichnet. Einzig die CDU hatte sich ablehnend zu Regulierungsmodelle für Cannabis und Entkriminalisierungsschritte bei anderen illegalisierten Substanzen gezeigt. Eine gesetzliche Regelung zur regulierten Abgabe von Cannabis auf Bundesebene ist im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition verankert und wird derzeit vorbereitet. Weitere Schritte Richtung Entkriminalisierung sind auf Landesebene demzufolge aber eher nicht zu erwarten.

Eine Übersicht weiterer relevanter Textstellen für die Bereiche für die Aids- und Drogenhilfe finden Sie unter aids-nrw.de.