Aidshilfe NRW zum Welt-Hepatitis-Tag: Die größten Herausforderungen liegen in den Gefängnissen

Bild: Gefängnismauern | pip, photocase.com28. Juli 2021 - „In der Prävention, Diagnostik und Behandlung von Hepatitis C wird es keine wesentlichen Fortschritte geben, wenn das Umfeld mit dem größten Handlungsbedarf nicht mitgeht: der Justizvollzug!“ Darauf weist Patrik Maas, Landesgeschäftsführer der Aidshilfe NRW, anlässlich des Welt-Hepatitis-Tags am 28. Juli hin. „Seit langem steht fest, dass die Vergabe von Spritzen und weiteren Konsumutensilien in Gefängnissen ein längst überfälliger Schritt ist, um HIV- wie
Hepatitis-C-Infektionen vorbeugen zu können. Und seit Jahren beißen wir mit unseren Forderungen auf Granit“, so Maas. Auch darüber hinaus hinken die Justizvollzugsanstalten bei zahlreichen Handlungsfeldern hinter

Beratung und Test: Aidshilfen stehen bereit

Geschätzt 20 Prozent der Gefangenen verweigern die Testung auf Hepatitis C bei der Aufnahmeuntersuchung. „Die Gründe hierfür sind sicherlich vielfältig, und die Wahlfreiheit ist gut und richtig. Statt Zwangsmaßnahmen sollten Gefangenen die Vorteile vermittelt werden, wenn sie ihren Infektionsstatus kennen“, erläutert Maas. Eine Lösung können anonyme Beratungs- und Testangebote durch externe Fachkräfte sein. Zahlreiche Aidshilfen haben sich seit Wegfall des Arztvorbehalts für Schnelltests auf HIV, Hepatitis C und Syphilis in der Durchführung von Tests qualifiziert und stehen bereit, diese Expertise auch für Menschen in Haft bereitzustellen. Erfolgreich und unkompliziert läuft ein derartiges Angebot bereits seit Jahren in der JVA Tonna in Thüringen in Kooperation mit der AIDS-Hilfe Weimar und Ostthüringen.

Behandlung: „Zu restriktiv, zu langsam, zu wenig!“

„Die Offenheit des Vollzugs für Hepatitis-C-Behandlungen und stellenweise auch das Engagement dafür sind in den letzten Jahren zweifelsohne gewachsen. Dennoch halten sich alte Vorbehalte und Vorurteile hartnäckig, die von der Forschung und den aktuell geltenden Behandlungs-Leitlinien längst widerlegt sind“, sagte Maas. So erhalten viele drogengebrauchende Gefangene keine Behandlung, weil sie konsumieren und ihnen mangelnde Therapietreue oder Sorglosigkeit unterstellt werden. Auch die immer noch hohen Behandlungskosten werden als Grund angeführt, die Behandlung zu verweigern. „Weder hohe Kosten noch angebliches Fehlverhalten von Inhaftieren dürfen zu Barrieren zu Gesundheit in Haft werden. Gesundheit ist ein Menschenrecht“, so Maas weiter. „Es ist ein Skandal, dass selbst bei leicht steigender Tendenz im letzten Jahr in den 36 Justizvollzugsanstalten des Landes lediglich 96 Patient*innen eine Hepatitis-C-Therapie erhielten!“ Das entspricht selbst bei konservativer Schätzung nicht einmal 10 Prozent der Gefangenen mit Hepatitis-C-Infektion. Und dies, obwohl die Justizvollzugsanstalten eine besonders geeignete Umgebung für die Behandlung sind, wie auch das Robert Koch- Institut schon 2016 bestätigt hat.

Antidiskriminierung: Datenschutzverstöße und Beschäftigungsverbote weiterhin an der Tagesordnung

Menschen mit HIV- sowie Hepatitis-C-Infektion werden in einigen Anstalten nach wie vor von verschiedenen Tätigkeiten, zum Beispiel in der Küche, ausgeschlossen. Eine wissenschaftliche Grundlage gibt es hierfür nicht. Zudem wird die Information über eine Infektionserkrankung nach wie vor gegenüber der Anstaltsleitung sowie anderen Bediensteten, die nicht im Medizinischen Dienst tätig sind, offengelegt. Beide Faktoren stellen, zusätzlich zur unklaren Aussicht auf eine Behandlung, ganz erhebliche Barrieren für die Test-Bereitschaft unter Gefangenen dar. Maas fasst zusammen, dass die größten Hürden bei der Bekämpfung von Hepatitis-C-Infektionen in NRW in den Gefängnissen liegen.