Eckpunktepapier für ein Umdenken in der Gesundheitsarbeit der Drogenhilfe

Studien-Logo "we care" | aidshilfe-dortmund.de10. Dezember 2020 – Die aidshilfe dortmund hat in Kooperation mit Gilead Sciences GmbH ein neues Eckpunktepapier veröffentlicht, das auf den Ergebnissen und Empfehlungen zur Überwindung von Versorgungsbarrieren drogengebrauchender Menschen aus der Studie „we care“ beruht. Die Studie hat hinderliche und förderliche Faktoren für die Wahrnehmung von Hepatitis-C-Testangeboten und die Aufnahme einer Behandlung identifiziert und daraus nun praktische Handlungsanleitungen für die Drogenhilfe entwickelt.

Die Datenlage zur gesundheitlichen Situation drogengebrauchender Menschen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren insgesamt deutlich besser geworden. Ein wichtiger Meilenstein war die DRUCK-Studie (2016) des Robert Koch-Instituts. In Anschluss an die DRUCK-Studie war das Modellprojekt „HIV? Hepatitis? Das CHECK ich!“ von Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Robert Koch-Institut und Deutscher Aidshilfe entwickelt worden, das niedrigschwellige HIV- und Hepatitis-C-Beratungs- und Testangebote für drogengebrauchende Menschen auf den Weg gebracht und evaluiert hat. Der Abschlussbericht zur Begleitevaluation, der in diesem Jahr veröffentlicht wurde, hat viele weitere wichtige Erkenntnisse zur Versorgung drogengebrauchender Menschen hervorgebracht. Um diese Ergebnisse in der Tiefe zu ergründen und weitere Daten für die spezifischen Barrieren zum Test und zur Behandlung zu gewinnen, hatte die aidshilfe dortmund die qualitative Studie „we care“ zum HCV-bezogenen Gesundheitsverhalten drogengebrauchender Menschen entwickelt und durchgeführt. Grundlage waren Interviews mit drogengebrauchenden Menschen aus Dortmund und Köln sowie eine umfangreiche Literaturrecherche. Der Studienbericht wurde zum diesjährigen Welt-Hepatitis-Tag am 28. Juli veröffentlicht.

Das neue Eckpunktepapier präsentiert noch einmal pointiert und graphisch neu aufbereitet die wesentlichen Ergebnisse und Empfehlungen der Studie und damit ein lebensweltorientiertes Konzept für Hepatitis-C-spezifische Versorgungsmodelle in der Drogenhilfe. Einige der wichtigsten Eckpunkte in Kürze:


Barrieren für die Inanspruchnahme von Testangeboten:

  • fehlende subjektive Relevanz und Priorität
  • Verdrängung angesichts ihres „Drogenalltags"
  • starke Abwehr der eigenen Betroffenheit und des eigenen Risikos
  • mangelhaftes – und falsches – Wissen
  • Szene-Mythen und nicht-rationale Risikoeinschätzungen überwiegen
  • Testmöglichkeiten, obwohl bekannt, werden wenig genutzt und brauchen aktive Ansprache
  • fehlendes „Bewusstsein“ in der Szene, sich „einfach“ testen zu lassen
  • Angst vor positivem Testergebnis und dessen Konsequenzen (z.B. die Angst, der*die substituierende Ärzt*in erfährt vom Beikonsum)

Barrieren für die Aufnahme einer Behandlung:

  • Dominanz anderer Alltagsprobleme (wie z.B. Suchtdruck, psychische Erkrankungen, prekäre Wohnsituation, exzessive Konsumphasen)
  • negative Lebensperspektive
  • mangelnde Selbstwirksamkeitserfahrungen/-erwartungen
  • Hemmung vor Kontakt mit Ärzt*innen
  • schlechte Einbindung in das Gesundheitssystem
  • fehlende Transparenz der Therapie-Rahmenbedingungen (wie z.B. Anforderungen an Adhärenz, Kosten, praktische Umsetzung, Ablauf etc.)
  • HCV-Therapie könnte dem/der Ärzt*in oder der Familie fortgesetzten Drogenkonsum offenbaren
  • Nutzen der Behandlung unklar oder in Zweifel gestellt

Sechs „Eckpunkte für die Tagesarbeit“ zur besseren Erreichbarkeit von drogengebrauchenden Menschen für Hepatitis-C-spezifische Angebote in der Drogenhilfe wurden entwickelt:

  • Positive Perspektiven aufzeigen
  • Wissen mit Nutzen verbinden
  • Peer-to-Peer und Erfolgsgeschichten einbinden
  • Gesundheitsverhalten kontinuierlich fördern
  • Individuelle Situation ansprechen
  • In Alltagsroutine integrieren

Ausführungen zu den einzelnen Punkten und weitere wichtige Empfehlungen finden Sie im Eckpunktepapier.