Drogenarbeit in der Aidshilfe NRW: Gut vernetzt mit sehr unterschiedlichen Ressourcen

Drogenarbeit der Aidshilfe NRW2. März 2020 - Drogengebrauchende Menschen gehörten von Anfang an auf Bundes- wie Landesebene zu den Gründungsmitgliedern der Aidshilfe sowie den Haupt-Zielgruppen der Aidsarbeit. Dies spiegelt sich auch in den Angeboten der Mitgliedsorganisationen der Aidshilfe NRW wider: Während die allgemeine Präventions- und Beratungsarbeit grundsätzlich allen Menschen mit HIV oder in HIV-spezifischen Lebenslagen offen steht, verfügt knapp die Hälfte der rund 40 Mitgliedsorganisationen über spezifische Angebote für drogengebrauchende Menschen, wie eine Auswertung der Aidshilfe NRW ergeben hat. Finanzielle wie personelle Ressourcen sind jedoch sehr heterogen: Während es einige wenige größere Einrichtungen gibt, die sich schwerpunktmäßig und mit mehreren hauptamtlichen Mitarbeitenden an drogengebrauchende Menschen wenden, sind in vielen Aidshilfen nur ein bis zwei Kolleg*innen explizit für diese Zielgruppe zuständig.

Das Angebotsspektrum ist vielfältig und reicht von der klassischen Beratung zu HIV und Hepatitis bis hin zum Drogenkonsumraum

Die meisten der beteiligten Mitgliedsorganisationen bieten Drogengebrauchenden gezielte Beratung an zu HIV und Hepatitis (jeweils 78%), einige auch in Verbindung mit einem Testangebot (52%), sowie Beratung zu Safer Sex und Safer Use (43 bzw. 48%). Weitere wichtige Angebote sind die Vergabe von Kondomen sowie Konsumutensilien (70 bzw. 48%). 61% der teilnehmenden Organisationen gewährleisten eine 24-Stunden-Versorgung mit sterilen Konsumutensilien über den Betrieb von Spritzenautomaten. Auch zugehende Angebote sind vertreten: 30% der Organisationen haben ein Angebot auf Entgiftungsstationen, 52% in Haft, und 39% sind im Streetwork in der Szene unterwegs. Spezialisierte Angebote sind etwa die Psychosoziale Beratung (PSB) für Substituierte (30%) und das Ambulant Betreute Wohnen (BeWo) (39%) oder Arbeitsprojekte (22%). 43% halten ein niedrigschwelliges Angebot vor, wie zum Beispiel ein offenes Gruppenangebot, und  30% unterstützen die Selbsthilfe (z.B. JES-Gruppen), etwa durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Ressourcen. Lediglich eine Organisation betreibt einen der elf Drogenkonsumräume (DKR) in NRW und eine Drogentherapeutische Ambulanz (DTA). Eine Vermittlung in weiterführende Hilfsangebote, zum Beispiel eine Entwöhnungsbehandlung oder eine Hepatitis-C-Therapie, wird von knapp der Hälfte angeboten.

Die Arbeit zeichnet sich durch einen hohen Grad an Vernetzung und die Mitarbeit in kommunalen Gremien aus

Was alle Organisationen gemeinsam haben, trotz einer breit gefächerten Angebotspalette und sehr unterschiedlichen Ressourcen, ist ein hoher Grad an Vernetzung. Alle Mitgliedsorganisationen, die an der Erhebung teilgenommen haben, haben regionale Kooperationspartner, z.B. Drogenberatungsstellen, JES-Gruppen, Substitutionspraxen und Kliniken oder Justizvollzugsanstalten. Die überwiegende Mehrheit (70%) ist darüber hinaus in kommunalen Gremien zum Thema vertreten – sei es im Arbeitskreis Substitution, im Qualitätszirkel AIDS und Drogen, oder im AK BeWo. Als drängendste Probleme der Zielgruppe wurden zuallererst die Substitution und im Weiteren u.a. die Wohnsituation, Beschäftigungsmöglichkeiten und die HCV-Behandlung genannt. Weitere Angebote, etwa in Form von Veranstaltungen oder Medien, wünschten sich die Mitarbeitenden vor allem zu den Themen Substitution und Konsumutensilienvergabe.

Ein Ausbau der Angebote und insbesondere ein stärkerer Einbezug der Community sind nötig, um die bisherigen Präventionserfolge aufrechtzuerhalten

Die Rückmeldungen aus den Mitgliedsorganisationen haben gezeigt, dass drogengebrauchende Menschen nach wie vor eine wesentliche Zielgruppe der Präventions-, Beratungs- und Begleitungsarbeit von Aidshilfen sind. Die Breite des Angebotsspektrums variiert dabei jedoch erheblich, von der niedrigschwelligen Konsumutensilienvergabe bis hin zum integrierten Beratungs- und Testangebot mit Kontaktcafé und medizinischer Betreuung unter einem Dach. Diese Angebote gilt es auszuweiten und allen Drogengebrauchenden, die sie benötigen, zugänglich zu machen, sei es im Rahmen integrierter Angebote unter einem Dach oder in Form noch engerer Kooperationen mit weiteren Akteuren des Hilfesystems und der medizinischen Versorgung wie etwa Substitutionspraxen. Die bisherigen Erfolge in der HIV-Prävention gilt es aufrechtzuerhalten und bestehende Herausforderungen, die etwa die DRUCK-Studie aufgezeigt hat – insbesondere im Bereich Hepatitis C, aber etwa auch die geringen Behandlungsraten von drogengebrauchenden Menschen mit HIV oder der unzureichende Zugang zu Präventionsmaterialien in einigen Regionen – mit verstärkten Ressourcen und erweiterten Netzwerken anzugehen. Nicht zuletzt sollten die Ressourcen drogengebrauchender Menschen stärker in die Planung und Durchführung von Angeboten mit einbezogen werden: nicht nur, um diese zielgruppengerechter zu gestalten, sondern auch um die Selbstbestimmung und das Empowerment der Menschen zu befördern (s. hierzu Leitfaden für Partizipation in der HIV/AIDS-Prävention der AG AIDS-Prävention NRW).