21. Juli 2018 - In den vergangenen 20 Jahren sind bis zu 45.000
Menschen in Deutschland an Überdosierung von Drogen, den Folgen von
konsumbedingten Infektionen wie HIV und Hepatitis und den negativen
Auswirkungen von Schwarzmarkt und Kriminalisierung verstorben. Daran
soll am 21. Juli, dem Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen,
erinnert werden.
„Die Akteure der Selbst-, Drogen- und Aidshilfe
haben durch ihre Arbeit viele positive Veränderungen bewirken können“,
so Patrik Maas von der Aidshilfe NRW, „entscheidende Schritte wie die
Regulierung des Drogenmarkts und des entkriminalisierten Konsums stehen
allerdings noch aus.“
Nachdem die Zahl der Drogentoten über vier
Jahre kontinuierlich gestiegen ist, sind die drogenbedingten Todesfälle
im vergangenen Jahr in Deutschland erstmals seit 2012 wieder geringfügig
zurückgegangen (von 1.333 im Jahr 2016 auf 1.272 im Jahr 2017). Die
Zahlen in NRW blieben nahezu unverändert (204 im Jahr 2016 und 203 im
Jahr 2017).
„Dass die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler
angesichts der Zahlen unter anderem ein ‚entschlossenes Vorgehen gegen
Drogenkriminalität‘ fordert, mutet schon zynisch an – ist es doch vor
allem der Kriminalisierung und Marginalisierung Drogen gebrauchender
Menschen geschuldet, dass viele von ihnen vom Hilfesystem nicht erreicht
werden und von gesundheitsförderlichen oder schadensminimierenden
Maßnahmen nicht profitieren können“, sagte Maas. In NRW stünden eine
Reihe an Instrumenten zur Verfügung, die auf wissenschaftlicher Evidenz
statt ideologischer Vorbehalte basierten.
Das erfolgreiche
Spritzenautomatenprojekt oder Drogenkonsumräume, die es leider an viel
zu wenigen Orten gäbe, seien gute Beispiele von wirkungsvollen und am
Bedarf der Menschen ausgerichteten Angeboten der Präventions- und
Gesundheitsförderung.
„Wir sind leider weiter entfernt von einem
bedarfsgerechten Zugang zur Hilfe. Die Zahl der substituierten
Opioidgebraucher*innen war noch nie so hoch wie heute, gleichzeitig ist
jedoch die Zahl der substituierenden Ärzt*innen seit Jahren rückläufig“,
beklagte Maas. „In zahlreichen weiteren Fragen gibt es seit Jahren oder
gar Jahrzehnten keinerlei Fortschritte. Eine auf Repression und
Verfolgung ausgerichtete Politik, wie sie sich in den Aussagen von Frau
Mortler widerspiegelt, macht sich am Sterben Drogen gebrauchender
Menschen mitschuldig! Diese Politik ist nicht an der Realität und am
Willen ausgerichtet ist, Menschen das Überleben zu ermöglichen, sondern
in ideologischer Verbohrtheit steckengeblieben“, so Maas weiter.
Insbesondere
zu nennen wären hier die konsequente Weigerung, eine auf
wissenschaftlichen Standards beruhende HIV- und Hepatitisprävention im
Strafvollzug zu etablieren. Hier mangele es an freiem und anonymen
Zugang zu Konsumutensilien, Kondomen und Gleitmittel. Weitere wichtige
Schritte wären die dringend notwendige Evaluation und Reform des
Betäubungsmittelgesetzes, Take-Home-Programme zur Vergabe des
Notfallmedikaments Naloxon, Drug-Checking-Angebote, der Ausbau der
Substitutionsversorgung einschließlich der Diamorphinvergabe.
Seit
1998 wird der 21. Juli als Protest-, Aktions- und Trauertag begangen,
um dem Gedenken an die vielen Drogentoten sowie den Gründen und
Umständen, die zu ihrem Sterben geführt haben, öffentlich und mit
medialer Beachtung Ausdruck zu verleihen. Über 150 Organisationen in
mehr als 60 deutschen Städten beteiligen sich inzwischen mit Mahnwachen,
Trauerfeiern, Musik- und Fachveranstaltungen sowie zusätzlichen
Serviceangeboten. Auch in diesem Jahr finden in Nordrhein-Westfalen
zahlreiche Veranstaltungen statt, unter anderem in Aachen, Ahlen,
Bielefeld, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Hagen,
Köln, Mettmann, Mülheim an der Ruhr, Recklinghausen und Wuppertal.