Newsletter 2023/02

Sehr geehrte Leser*innen,

hier die zweite Ausgabe des gemeinsamen Newsletters rund um die Themen Drogen, Strafvollzug, Spritzenautomaten und wichtige Entwicklungen aus Politik, Gesellschaft, Medizin, Forschung, aus dem Verband sowie kooperierenden Einrichtungen.

Gerne veröffentlichen wir Ihre interessanten Projekte, Themen oder weitere Termine über den Newsletter. Bitte senden Sie die Beiträge einfach per Mail an mascha.zapf@nrw.aidshilfe.de.

Wir freuen uns über jede Rückmeldung.

Mit herzlichen Grüßen,

Brigitte Bersch             
Spritzenautomatenprojekt NRW

Mascha Zapf
Drogen|Strafvollzug
 
A K T U E L L E S

Ruhestand für Frau Dr. Render (JM NRW)
Frau Dr. Irmgard Render (Gesundheitsreferat des Justizministeriums NRW) verabschiedete sich Ende April in den wohlverdienten Ruhestand. Wir wünschen ihr alles Gute für den neuen Lebensabschnitt! Nun zuständig sind Frau Möller und (weiterhin) Frau Dr. Linde.

Abgabe von Spritzen 2022
Die Vergabe von Spritzen und weiteren Konsumutensilien, entweder als bedarfsgerechte Vergabe in Einrichtungen der Aids- und Drogenhilfe oder durch einen der mehr als 100 Spritzenautomaten in NRW, ist wesentlicher Bestandteil einer jeden Harm-Reduction-Strategie. Die Aidshilfe NRW wertet jährlich die Abgabezahlen loser Spritzen sowie die Abgaben per Spritzenautomaten in NRW aus. Die Einrichtungen der Aids- und Drogenhilfe in NRW stellen hierfür ihre Daten zur Verfügung. Die Abgabe loser Spritzen ist von 2021 bis 2022 leicht gesunken (Abnahme ca. 1,3 Prozent bzw. - 21.048 Spritzen). Anders als im Vorjahr sind im Jahr 2022 die Abgabezahlen über die Automaten wieder gestiegen (Zunahme um 13,5 Prozent bzw. plus 17.250 Spritzen). Die gesamte Statistik mit einer Übersicht der Jahre 2020 - 2022 finden Sie unter saferuse-nrw.de.

Erweiterung Sortiment Spritzenautomaten
Ab sofort können für die Bestückung der Spritzenautomaten auch Snief Sets bestellt werden. Die Snief Sets enthalten: 1 Blöckchen (10 Seiten) mit Safer Use-Infos, 1 Hackkarte und 1 Cremesachet zur Nasenpflege
Hier noch einige Infos zum Sniefen:
Sniefen (= nasale Applikation) ist eine weit verbreitete und beliebte Konsumform für viele psychoaktive Substanzen (Kokain, Crystal, Speed, Heroin, Ketamin u.a.). Dabei wird die kristalline oder pulvrige Substanz (mittels eines Röhrchens) in die Nase gezogen. Dort bleibt sie an den Membranen der Schleimhäute kleben, wo sie sich sehr schnell auflöst und durch die feinen Adern der Schleimhäute direkt ins Blut gelangt. Das Blut transportiert die Wirkstoffe der Substanz ins Gehirn, wo sie ihre Wirkung entfalten.



M E D I Z I N  &  G E S U N D H E I T

HIV-Depotpräparate erzielen gute Ergebnisse bei drogengebrauchenden, psychisch kranken und wohnungslosen Menschen
Der langwirksame Integrase-Inhibitor Cabotegravir, der in Kombination mit dem Reverse-Transkriptase-Inhibitor Rilpivirin als intramuskuläres Depotpräparat angewendet wird, bietet sich laut verschiedener US-Mediziner*innen insbesondere zur Behandlung von Patient*innen an, denen aus sozialen Gründen die tägliche Einnahme der Medikamente schwer fällt, wie z.B. drogenkonsumierenden und/oder wohnungslosen Menschen. Nähere Infos finden Sie unter aerzteblatt.de.

Inkrafttreten der neuen BtMVV seit 8. April 2023
Ende Oktober 2022 hat das Bundesgesundheitsministerium den Entwurf für eine Änderung der BtMVV vorgelegt. Der Entwurf zielte darauf ab, bürokratischen Aufwand in Praxen und Apotheken abzubauen. Während die Zahl der Substitutionspatient*innen gleichgeblieben ist, geht die Zahl der substituierenden Ärzt*innen seit Jahren zurück. Aktuell versorgen 2.444 Ärzt*innen 81.200 Substitutionspatient*innen, das ist ein Rückgang um 247 Ärzt*innen seit 2013. Am 21.12.22 hat das Bundeskabinett diesem Vorschlag zugestimmt und am 10.02.2023 ist der Bundesrat diesem Entschluss gefolgt. Für die Opioidsubstitutionsbehandlung sind folgende Änderungen seit April in Kraft getreten:

  • Die Höchstverschreibungsmengen wurden gestrichen.
  • Die Regelung, lediglich ein BtM-Rezept pro Woche ausstellen zu dürfen, entfällt.
  • Die Kennzeichnung Z für „nicht-take-home-fähige“ Patient*innen entfällt. Bei vormaligen „Z-Patient*innen“ kann der Verschreibungszeitraum auf bis zu sieben Tage ver-längert werden – auch als „Mischrezept“ für eine differenzierte Abgabe unter Sicht und zur eigenverantwortlichen Einnahme.
  • Telemedizinische therapeutische Kontakte sind zugelassen, aber mindestens eine persönliche Konsultation in einem Zeitraum von 30 Tagen muss stattfinden.

Der Personenkreis, der Patient*innen ein Substitutionsmittel zum unmittelbaren Ver-brauch übergeben darf, soll erweitert werden. Erfahrene sozialpädagogische Kräfte sollen nun regelhaft unter ärztlicher Aufsicht und Verantwortung Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch abgeben dürfen. Dies soll zukünftig in begründeten Fäl-len auch für qualifiziertes nicht-medizinisches Personal in Justizvollzugsanstalten gelten. Alle Veränderungen der BtMVV finden Sie unter buzer.de/gesetz.

P O L I T I K  &  R E C H T  

Entlastung geplant: Parlament befasst sich mit Reform des Maßregelvollzugs
Der Bundestag will sich mit den übermäßig hohen Zuweisungen von suchtkranken Straftäter*innen in den Maßregelvollzug beschäftigen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zufolge fand im März die erste Lesung statt und bereits im Mai sollen die notwendige zweite und dritte Lesung stattfinden. Das neue Gesetz könnte dann voraussichtlich zum 1. Juli oder spätestens zum 1. Oktober dieses Jahres in Kraft treten. Ausführliche Infos finden Sie unter aerzteblatt.de.


P R O J E K T E  &  F I N A N Z E N

Deutsche Aidshilfe: Verbandsprojekt “Aufs Ganze sehen – Gesundheit möglich machen“
Die Kampagne ist in zwei Säulen aufgeteilt. Säule 1: Kampagne zu Prävention und Behandlung im Justizvollzug. Säule 2: Projekt Prävention und Behandlung für Menschen ohne Krankenversicherung/ohne Papiere. In diesem Zuge sollen Medien erstellt werden, die sowohl die Themen, Forderungen als auch Informationen enthalten. Politische Anfragen sollen gestellt und eine neue Studie zu HIV, HCV und Drogenkonsum in Haft durchgeführt werden. Kolleg*innen und Kooperationspartner*innen aus der Praxis sollen modellhafte Interventionen zu verschiedenen Handlungsfeldern in Haft bespielen, u.a. Naloxontrainings, Beratung und Testung, Konsumutensilienvergabe etc. und ebenfalls sollen Ressourcen zur Unterstützung bei Klageverfahren (bzgl. medizinischer Versorgung und Diskriminierung) von inhaftieren Menschen geschaffen werden. Dafür wurde eine eigene Kampagner*in-Stelle in der DAH geschaffen, die ab 1. Juni 2023 startet.

Allyship-Kampagne mit dem Titel "Ich bin dran!" ist gestartet
Mit der Kampagne sollen Menschen motiviert werden, sich aktiv im Kampf gegen Stigmatisierung und Diskriminierung zu engagieren. Auf der Webseite ichbindran.de finden Sie alle Infos zur Kampagne zusammengefasst und aktuelle News auf Facebook und Istagram. Es geht darum, ein gerechtes und inklusives Umfeld für alle zu schaffen.


P U B L I K A T I O N E N

11. Deutsch-Österreichischen-AIDS-Kongress (DÖAK 2023)
Zum diesjährigen deutsch-österreichischen Aidskongress hat die Aidshilfe NRW einige Veranstaltungen konzipiert. Eine davon besprach das Projekt „HCV-freie Gefängnisse“ mit dem Justizminister Limbach, Frau Dr. Leisch-Kampschulte (Anstaltsärztin JVA Bo-chum), Willehad Rensmann (Fachvorstand AH NRW) und Anja Wolf (Mitarbeiterin u.a. für den Haftbereich AH Bochum). Die Veranstaltungsdokumentation finden Sie unter nrw.aidshilfe.de.

31. März 2023 internationalen Drug-Checking-Day
Den Artikel zum diesjährigen internationalen Drug-Checking-Day der Aidshilfe NRW finden Sie unter nrw.aidshilfe.de.

Deutschland wird HIV/HCV-Eliminierungs-Ziele bis 2030 nicht erreichen, wenn sich die Versorgung von Drogengebrauchenden und Menschen in Haft nicht verbessert
Dies wird in dem Fachartikel zur Prävalenz von HIV&HCV unter Inhaftierten und Drogen gebrauchenden von Stöver, H., Dichtl, A., Schäffer, D. et al. (2023) deutlich. Der Artikel diskutiert die Situation von intravenös Drogenkonsumierenden und Gefangenen in Deutschland in Bezug auf HIV und HCV, fünf Jahre nach Vorstellung der Eliminierungsstrategie durch das BGM. Um die Eliminierungsziele bis 2030 zu erreichen, müsste Deutschland die Situation von i.V. Drogengebrauchenden und Gefangenen erheblich ver-bessern, vor allem durch die Umsetzung evidenzbasierter Schadensminderungsmaßnah-men sowie die Förderung von Diagnose und Behandlung sowohl in Gefängnissen als auch in Freiheit.


M E D I E N

Broschüre Safer Use - Risiken minimieren beim Drogengebrauch (russisch)
Die Broschüre zeigt, wie Infektionen (z.B. HIV/Hepatitis) vermieden werden können. Im Mittelpunkt stehen Tipps zum inhalativen und intravenösen Konsum. Darüber hinaus enthält die Broschüre auch Informationen zu Risiken und Nebenwirkungen von Heroin, Kokain, Crack und Tabletten sowie über andere Konsumformen wie Sniefen und oder die „Po-Injektion“. Die Broschüre ist auch in deutscher Sprache erhältlich und kann hier bestellt werden.

So läuft das bei uns! Ein Tag in Aidshilfen in NRW
Die Aidshilfe NRW hat in einem Video einen Überblick über die vielfältigen Aufgabengebiete der Aidshilfen in Nordrhein-Westfalen dargestellt. Die Namen und Aufgabenzuschreibungen in den von den Kolleg*innen nachgespielten Szenen wurden zwar geändert, die wiedergegebenen Situationen können so aber täglich in den Mitgliedsorganisationen der Aidshilfe NRW stattfinden.

NRW. Suchtkooperation NRW richtet Drogenkonsum-FAQ ein
Wie werden Drogenkonsumräume in den Kommunen geplant? Dazu hat die Suchtkooperation NRW auf ihrer Internetseite einen Bereich mit häufig gestellten Fragen eingerichtet. Hintergrund dafür ist, dass es im Zuge der hohen Zahl drogenbedingter Todesfälle im Jahr 2021 auch in Nordrhein-Westfalen zu einer neuen Diskussion um zusätzliche Drogenkonsumräume gekommen ist. Die Suchtkooperation möchte in diesem Fall mit ihrer Expertise Hilfe anbieten.

#mybrainmychoice - Initiative für die Entkriminalisierung von Personen, die il-legale Drogen nehmen, und die Beendigung des Drogenkriegs
Aus dem Selbstverständnis: „Die #mybrainmychoice Initiative setzt sich für eine grund-legend neue Drogenpolitik in Deutschland und weltweit ein. […] Die Initiative fördert selbstbestimmte, entstigmatisierende Diskussionen rund um legale und illegale Drogen und stärkt die zivilgesellschaftlichen Interessen von Konsumierenden zur Gestaltung der Drogen- und Suchtpolitik. Es geht um den Schutz von Privatsphäre und Selbstbestim-mung über den eigenen Körper ebenso wie soziale Gerechtigkeit und politische Maßnah-men, die Zusammenhalt statt Individualismus und Klassismus fördern.“


T E R M I N E

Bitte überprüfen Sie regelmäßig die Websites der jeweiligen Veranstalter*innen, um auf dem Laufenden zu bleiben.

24. bis 26. Mai 2023: 12. Europäische Konferenz zur Gesundheitsförderung in Haft Murten, Schweiz
Zum Motto der Konferenz ‘Äquivalenzprinzip im Faktencheck’ wird es viele kontroverse und spannende Beiträge zu den Themen psychische und physische Gesundheit für Menschen in Haft geben. Weitere Informationen zum Programm finden Sie unter gesundinhaft.eu. Unter booking.seminardesk.de können Sie sich online zur Konferenz anmelden.

16. Juni 2023: Online Forum „Sexuelle Rechte und Gesundheit in Haft“
Entstanden aus der bundesweiten AG Haft, mit interessanten Beiträgen zum Thema Sexualität, Gesundheit und Beziehungen im Haftkontext. Unter booking.seminardesk.de können Sie sich online anmelden.


A U S S C H R E I B U N G E N

Ausschreibungen im Landesverband finden Sie immer aktualisiert auf unserer Homepage unter nrw.aidshilfe.de.